Anne Brorhilker, die leitende Staatsanwältin im deutschen Cum-Ex-Steuerbetrugsskandal, ist am 22. April 2024 von ihrer Position zurückgetreten. Ihre Beteiligung an der Aufklärung des Cum-Ex-Skandals reicht bis ins Jahr 2013 zurück. Mehr als 1700 Personen wurden bis dato angeklagt.

Wer ist Anne Brorhilker?

Anne Brorhilker ist eine renommierte Juristin, die als Oberstaatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Köln tätig war. Ihre Arbeit hat dazu beigetragen, Licht in die dunklen Ecken der Finanzwelt zu bringen und diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die versucht haben, das System zu ihren Gunsten zu manipulieren.

Der Rücktritt und seine Implikationen

Brorhilker äußerte Unzufriedenheit mit der Art und Weise, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird. Sie kritisierte die mangelnde politische und juristische Aufarbeitung des Steuerskandals und äußerte, dass der Staat „schwach aufgestellt“ sei, wenn es um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe geht. Trotz ihres Rücktritts hat sie angekündigt, weiterhin gegen Finanzkriminalität zu kämpfen.

Brorhilkers Rücktritt war ein Schock für viele, da sie als eine der wenigen Personen galt, die die Komplexität des Cum-Ex-Skandals vollständig verstanden und die Entschlossenheit besaßen, die daran Beteiligten zur Rechenschaft zu ziehen. Ihr Rücktritt wurde als ein Ausdruck von Frustration und Enttäuschung über die mangelnde Unterstützung und Ressourcen zur Bekämpfung von Finanzkriminalität in Deutschland interpretiert.

In einem Exklusivinterview mit dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) äußerte Brorhilker ihre Unzufriedenheit mit der Art und Weise, wie Finanzkriminalität in Deutschland verfolgt wird. Ihrer Ansicht nach leidet der Ansatz des Landes zur Bekämpfung der Finanzkriminalität unter strukturellen Defiziten, darunter mangelnder Zusammenarbeit und Zentralisierung, die durch das föderale System noch verschärft werden. 

Brorhilker betonte weiter, dass Lobbying-Aktivitäten, die nur für den Bundestag registriert sind, es Finanzinstituten ermöglichen, ihre Interessen in Gerichtsverfahren durchzusetzen. Nach ihrem Rücktritt will sich Brorhilker als Direktorin der NGO Finanzwende in Berlin für Reformen im Kampf gegen Finanzkriminalität einsetzen.

Reaktionen auf den Rücktritt

Der Rücktritt von Brorhilker hat eine breite Diskussion ausgelöst. Der NRW-Justizminister bedauerte ihren Rücktritt und betonte die Bedeutung einer effektiven Verfolgung der Cum-Ex-Straftaten. Die Oppositionsfraktionen forderten indes eine ausführliche Aufklärung des Falles im Rechtsausschuss des Landtags.

Auswirkungen auf die Ermittlungen

Trotz Brorhilkers Rücktritt dürften die Ermittlungen im Cum-Ex-Skandal fortgesetzt werden, da ein großes Team von über 30 Staatsanwälten und vier Abteilungsleitern an den Fällen arbeitet. Dennoch bedeutet ihr Ausscheiden einen Rückschlag für die Aufarbeitung des Skandals, da viele beteiligte Banken bislang nicht strafrechtlich belangt wurden.

Was ist der Cum-Ex-Skandal?

Der Cum-Ex-Skandal bezieht sich auf eine Form der Steuerhinterziehung, bei der Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenansprüche in kurzer Zeit zwischen Finanzakteuren hin- und hergeschoben wurden. Am Ende erstattete der Fiskus Banken, Aktienhändlern und Beratern unwissentlich Kapitalertragssteuern, die nie gezahlt worden waren. Dieser Betrug wurde durch ein Netzwerk von Banken, Aktienhändlern, Steuerberatern, Bänkern und Anwälten ermöglicht.

Warum ist der Fall so bekannt und wichtig?

Der Cum-Ex-Skandal hat aufgrund seiner Größe und der beteiligten Akteure internationale Aufmerksamkeit erregt. Es handelt sich um den größten Steuerskandal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, bei dem der deutsche Staat nachweislich um mindestens 10 Milliarden Euro betrogen wurde. 

Wenn man weitere Formen von Finanzmarktgeschäften wie „CumCum“ einbezieht, erreicht der Schaden mindestens 35 Milliarden Euro. Der Fall hat weitreichende Auswirkungen auf die Finanzwelt und die Politik und hat eine breite öffentliche Diskussion über Finanzkriminalität und Steuerhinterziehung ausgelöst.

Rolle von Olaf Scholz im Cum-Ex-Skandal

Olaf Scholz, der heutige Bundeskanzler und ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, spielte eine Rolle in der Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals. Er traf sich zwischen 2016 und 2017 dreimal mit dem Privatbankier Christian Olearius; bei den Gesprächen ging es um illegale Cum-Ex-Deals. Scholz hat jeglichen Verdacht zurückgewiesen, Einfluss auf die steuerliche Behandlung der in den „Cum-Ex“-Skandal verwickelten Warburg Bank genommen zu haben.

Mangelnde Kontrollen beim Finanzbetrug in Deutschland

Die Bundesregierung hat erkannt, dass es Verbesserungsbedarf bei der Kontrolle und Verfolgung von Finanzkriminalität gibt. Sie hat daher einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Finanzkriminalität, insbesondere von Geldwäsche, beschlossen. Kernstück des Gesetzes ist die Gründung eines neuen Bundesamts zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF).

Das BBF soll die unterschiedlichen Kompetenzen innerhalb der Geldwäschebekämpfung bündeln. Dazu gehören die Analyse (Financial Intelligence Unit, FIU), strafrechtliche Ermittlungen und die Koordinierung der Geldwäscheaufsicht. Durch die Zusammenführung dieser Kompetenzen unter einem Dach soll die Zusammenarbeit erleichtert und intensiviert werden.

Ein wichtiger Aspekt der neuen Strategie ist der sogenannte „follow the money“-Ansatz. Dabei wird nicht nur ausgehend von Vortaten ermittelt, sondern bereits bei verdächtigen Finanzströmen angesetzt, um so die dahinter liegenden Straftaten aufzudecken. Dieser Ansatz soll es dem BBF ermöglichen, illegale oder verdächtige Finanzströme bis zu den professionellen Hintermännern und Netzwerken aufzuspüren.

Zudem wird ein Immobilientransaktionsregister innerhalb des BBF eingerichtet, das den Behörden vollen digitalen Zugriff auf die benötigten Immobiliendaten ermöglichen soll.

Trotz dieser Fortschritte gibt es weiterhin Kritik. Einige Experten argumentieren, dass die Maßnahmen nicht weit genug gehen und weiterhin eine effektive Kontrolle und Verfolgung von Finanzkriminalität fehlt. Es bleibt abzuwarten, wie effektiv die neuen Maßnahmen in der Praxis sein werden.

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